
Wie macht man eigentlich so eine Ski-Schweizermeisterschaft?
Ende März findet in Verbier die BRACK.CH Schweizermeisterschaft im Ski Alpin statt. Ich war zwei Tage im Val de Bagnes, um herauszufinden, wie ein solcher Grossanlass organisiert wird und was er für die Nachwuchstalente bedeutet.
Das Wetter schreit nicht gerade «Skitag», als ich am vergangenen Sonntag im Wallis ankomme: Regen im 45-Grad-Winkel, heftige Windböen und in höheren Lagen Schneefall und dichter Nebel. Beide für heute vorgesehenen Rennen wurden kurz nach meiner Ankunft abgesagt.
Doch das vermag die Stimmung meines ersten Interviewpartners nicht zu trüben. Ich spreche mit Eloi Rossier, dem Präsidenten des Organisationskomitees, das hinter der Schweizermeisterschaft (SM) steht. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Er kann sich keineswegs zurücklehnen, wenn ein Lauf abgesagt wird. «Aktuell sind rund 50 Leute auf der Piste, um sie für morgen zu präparieren», sagt er. «Gestern waren es sogar mehr als 150.» Der starke Niederschlag brachte innert weniger Stunden mehr als 20 Zentimeter Neuschnee. Entsprechend beansprucht werden die zahlreichen freiwilligen Helfer und Helferinnen auf der Piste.
Dennoch sei es kein Problem, Freiwillige zu finden. «Hier in der Gegend helfen die Leute gern mit. Jeder kommt, von den Jüngsten bis zu den Ältesten.» Das OK nimmt diese offenherzige Unterstützung aber keinesfalls als selbstverständlich hin. Rossier betont, wie wichtig es sei, Danke zu sagen. So findet denn auch am Freitag, nach dem letzten Rennen, eine Soirée für die mehr als 500 Helferinnen und Helfer statt.
Die BRACK.CH Schweizermeisterschaft im Ski Alpin
Dieser Grossanlass ist der Abschluss der Skirennsaison in der Schweiz und wird seit 2018 von BRACK.CH als Titelsponsor unterstützt. Jedes Jahr findet er in einer anderen Bergdestination statt. 2023 ist Verbier der Austragungsort, ganz im Südwesten des Wallis. Vom 25. bis zum 31. März werden Rennen sämtlicher Disziplinen durchgeführt: Slalom, Riesenslalom, Super G und Abfahrt. Weitere Informationen findest du bei Swiss Ski.
Neben den Freiwilligen, ohne die ein solcher Anlass nicht möglich wäre, müssen laut Rossier insbesondere drei Akteure ganz früh ins Boot geholt werden: Die Gemeinde, die Bergbahnen und die Tourismusbehörde. Bereits im Januar 2022 begannen die Gespräche, bei denen sich rasch herausstellte, dass alle am selben Strang ziehen wollen. Insbesondere die Gemeinde Verbier beteiligte sich massgeblich am Gesamtbudget von mehr als einer halben Million Franken. Sozusagen in der zweiten Reihe folgen dann die lokalen Skiclubs, die die Freiwilligen stellen und über die technische Expertise für die Präparierung der Piste verfügen.
Unter diesen Voraussetzungen dürfte das Team um den OK-Präsidenten seine drei Ziele erreichen:
- Alles dafür tun, dass die Athleten und Athletinnen ein tolles Erlebnis haben.
- Das Bild der Destination fördern. Die Besucher und Athleten sollen mit tollen Eindrücken der Region nach Hause gehen.
- Das Erwirtschaften eines gewissen Gewinns für den lokalen Skiclub, Verbier St-Bernard Ski Team. Dieser ist, wie viele Vereine, auf Geld angewiesen, um den Nachwuchs umfangreich fördern zu können.
Chancen und Herausforderungen für den Nachwuchs
Mindestens genauso ambitioniert wie das OK sind natürlich die Athleten und Athletinnen. Neben den bekannten Gesichtern ist auch der Nachwuchs zahlreich vor Ort. Wie die jungen Talente von der SM profitieren, wie sie sich darauf vorbereiten und was ihre Herausforderungen sind, darüber spreche ich mit zwei langjährigen Swiss-Ski-Profis: Hans Flatscher, seines Zeichens Chef für den Nachwuchs, und Valentin Crettaz, Cheftrainer C-Kader bei Swiss Ski.
«Die SM ist eines der Saisonhighlights der Nachwuchsfahrer und -fahrerinnen. Neben dem sportlichen Aspekt treffen sie hier auf ihre Idole, können sich mit ihnen austauschen und natürlich gegen sie antreten.», erklärt Flatscher die Bedeutung der SM für den Nachwuchs.
Damit die Athleten und Athletinnen an der SM nicht nur «mitfahren», sondern gute Resultate erreichen können, ist ein intensives Training nötig, wie Crettaz ausführt. Diese Saison wurde im Nachwuchs erstmals mit einem sehr individuellen Trainingsprogramm gearbeitet, während vorher die Trainings mehr auf die Gruppe ausgerichtet waren. Das bedingt eine intensivere Zusammenarbeit mit den einzelnen Athleten, habe sich aber bewährt. Crettaz legt beim Training besonderen Wert auf die Technik: «Wenn die stimmt, dann kommt der Speed.»
Das Training im Skisport ist bekanntermassen sehr zeitaufwendig, nicht zuletzt wegen der Reisezeiten in geeignete Skigebiete. Bereits ab einem relativ niedrigen Niveau reicht es rasch nicht mehr, nur an den Wochenenden zu trainieren, wenn die Ambitionen hochgesteckt sind. Für Hans Flatscher ist dies denn auch eine der grössten Herausforderungen für den Nachwuchs: «In der Schweiz hat die Ausbildung einen hohen Stellenwert und nimmt viel Zeit in Anspruch. Dies mit einem hohen Trainingsaufwand zu vereinen, kann sehr schwierig werden.»
Dem versucht Swiss Ski möglichst entgegenzuwirken, indem sich der Verband so dezentralisiert aufstellt wie möglich. Nicht weniger als 31 regionale und drei nationale Leistungszentren sind über die Schweiz verteilt und begleiten die jungen Athleten und Athletinnen auf dem Weg ins Kader.
Die Unwägbarkeiten des Wetters
Wie eingangs bereits erwähnt, ist natürlich auch das Wetter ein entscheidender Faktor im Skirennsport. Es kann einem Rennen komplett einen Strich durch die Rechnung machen, egal wie gut es vorbereitet ist und wie viel die Athleten trainiert haben. So ist es der grösste Gegenspieler von OK-Präsident Rossier, dessen erste Priorität es ist, den Athleten und Athletinnen perfekte Rennbedingungen zu bieten. «Das schönste Hotelzimmer bringt den Athleten nichts, wenn die Piste nicht gut ist.», sagt er und zeigt dabei auf den starken Schneefall vor dem Fenster des Bergrestaurants Le Mouton Noir. Da das Wetter leider keine Wünsche entgegennimmt, ist es eine von Rossiers wichtigsten Aufgaben, flexibel zu bleiben, und das im Vorfeld akribisch geplante Programm gegebenenfalls komplett über den Haufen zu werfen. Dazu gehören unter anderem das Verschieben des Rennstarts, die Intensivierung der Pistenarbeiten oder gar die Absage des Rennens. Für die aktuelle SM hat das OK beschlossen, die für Freitag geplanten Rennen auf den Donnerstag vorzuziehen, da das Wetter Mitte Woche etwas besser ist.
Starker Schneefall während des Riesenslaloms am Samstag, Foto: Competec
Diese Unwägbarkeiten treffen die Athleten und Athletinnen ebenfalls, gerade wenn es ums Training geht. Aufgrund des äusserst schwachen Wintereinbruchs Ende 2022 konnten viele Skigebiete nur einen winzigen Teil ihrer Pisten öffnen. Zum Training mussten die Sportler entweder aufs Ausland ausweichen oder eines der wenigen hoch gelegenen Schweizer Skigebiete aufsuchen, wo genügend Schnee gefallen war.
Valentin Crettaz konnte mit seinen Jungs glücklicherweise auf der Diavolezza in Graubünden trainieren. Doch er ist sich bewusst, dass auch dies keine Garantie für künftige Jahre ist. Er hat den Trainingsplan bereits letzten Oktober so angepasst, dass bis in den Mai hinein trainiert wird, anstatt nach dem Saisonabschluss in Verbier erstmal Pause zu machen. «Bis jetzt ist die Motivation für diesen Plan bei den Athleten noch hoch. Ich hoffe, dass dies auch nach der SM so bleibt.»
Für die ganz jungen Nachwuchstalente kann die Schneeknappheit den Einstieg in den Skisport erschweren, wie Hans Flatscher weiss: «Die kleinen Skilifte in tieferen Lagen sind ein wichtiger Nährboden, um Kinder erstmals zum Skifahren zu bringen, selbst wenn sie nur 2 Monate im Jahr laufen. Können diese Lifte nicht mehr betrieben werden, gelangen potenzielle Talente eventuell nie zum Skisport.»
Trotz den Wetterkapriolen an der SM lässt sich Eloi Rossier nicht von seinen Zielen abbringen. Als er mich nach dem Interview spontan zu einem Mittagessen im Bergrestaurant einlädt, hat er zumindest bei mir sein Ziel erreicht: Ich gehe mit vielen tollen Erinnerungen nach Hause.
Redaktor
Let the Beat Hit 'em! Als passionierter Hochzeits-DJ interessiere ich mich für alles, was Musik wiedergibt. Auch privat höre ich praktisch ununterbrochen Musik, sodass in der Wohnung der eine oder andere Lautsprecher herumsteht – von ganz klein bis ganz gross. Daneben schätze ich Filme und Games im Heimkino, geniesse einen guten Whisky (natürlich mit der passenden Musik im Hintergrund) und kurve mit meinem 20-jährigen Cabrio durch den Schwarzwald.
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