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Biowein-Interview mit Delinat

15.06.2020

Im Gespräch mit Michel Fink, Leiter Marketing & Verkauf beim Schweizer Biowein-Pionier Delinat. Wir sprechen über Bio-Weinbau, Klimawandel und die Zukunft des Weines. Das Unternehmen Delinat spezialisiert sich seit 1980 auf den Vertrieb von Wein aus biologischem Anbau.

Mit welcher Mission wurde Delinat gegründet?

Karl Schefer hat Delinat 1980 mit der Vision gegründet, dass in den Weinbergen wieder Schmetterlinge fliegen sollen. Was eigentlich so selbstverständlich tönt, war und ist leider viel zu oft nicht der Fall. Die Gründungsgeschichte nahm ihren Lauf, als Schefer, ausgebildeter Chemielaborant, Homöopath und Weinfan, Ende 70er Jahre einen Rebberg besuchte und erkannte, wie sehr damals gegen die Natur statt mit der Natur produziert wurde. Alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, wurde mit Pestiziden totgespritzt, alles, was nicht nach Reben aussah, aus dem Weinberg gepflügt. Wie kann denn ein Produkt, das für sich in Anspruch nimmt, Ausdruck des Terroirs zu sein, von toten Weinbergen stammen? Etwa zur gleichen Zeit hat Schefer in einem Reformhaus in Paris zum ersten Mal einen «Wein ohne Chemie» entdeckt. Obwohl der Tropfen alles andere als ein Genuss war, war er überzeugt, dass er soeben die Zukunft des Weinbaus in seinem Glas hatte. Zurück in der Schweiz formulierte er in einer Pionier-Leistung die allerersten Bio-Richtlinien für Weinbau in Europa.

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Die Delinat-Philosophie «Schmetterlinge in den Rebbergen»

Auf was achtet ein Delinat-Winzer beim Weinbau?

Um wieder Leben in die Weinberge zu bringen, müssen Biodiversität und geschlossene Ökosysteme zur Norm werden – der Verzicht auf Chemie allein reicht bei Weitem nicht aus. Delinat-Winzer verpflichten sich daher, Kräuter, Büsche, Hecken und Bäume in ihre Weinberge zu pflanzen, die Lebensräume für Tausende von Nützlingen bieten. Dadurch entsteht ein natürliches Gleichgewicht, das die Reben vor Krankheiten schützt. Diese wiederum danken es mit gesunden und aromatischen Trauben, aus denen guter Wein wie von selbst entsteht. Die Förderung einer reichen Artenvielfalt bildet daher den klaren Kern der 120-Punkte-starken Delinat-Richtlinien. Delinat ist das einzige Bio-Label, das Biodiversität im Detail definiert und vorschreibt.

Was ist das Ziel der Förderung von mehr Biodiversität im Weinberg?

Ein geschlossenes Ökosystem, das sich selber reguliert, stabil und weniger anfällig für Krankheiten ist. Menschliche und maschinelle Eingriffe und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln können dadurch auf ein Minimum reduziert werden, und der Winzer kann sich endlich wieder auf sein eigentliches Handwerk konzentrieren: auf das Erzeugen von eigenständigen, charaktervollen Weinen in bester Terroirqualität. Monokulturen und das Spritzen von Pestiziden sind die Folge von Angst vor Konkurrenz und Schädlingen. Was man aber mit Pestizideinsatz auch verursacht, ist das Abtöten der Nützlinge. Der ständige Einsatz von Pestiziden führt dazu, dass die Schädlinge irgendwann immun gegen die Pestizide werden und als Folge müssen immer stärkere Chemikalien eingesetzt werden. Ein Rebberg aber, der ein geschlossenes Ökosystem ist, kann sich selber regulieren und ist stark genug, sich selbst gegen Krankheiten zu schützen, ohne dass man gross eingreifen muss.

Wie funktioniert ein «ökologischer Hotspot» im Weinberg?

In einem funktionierenden Ökosystem hat jedes Lebewesen, jeder Käfer, jeder Falter, jede Echse und jedes Würmchen – schlicht alles, was auf einem Rebberg an Leben kreucht und fleucht – eine Funktion. Nützlinge halten Schädlinge in Schach und sorgen dafür, dass sich diese nicht zu sehr ausbreiten können. Mit «ökologischen Hotspots» schaffen die Delinat-Winzer Lebensräume. Das können Stein- und Holzhaufen, Bienenhotels, Nistkästen, Kräuterinseln oder gar Teiche sein, die Reptilien, Amphibien, Insekten und Vögel anziehen und so Fauna und Flora fördern. Der Weinberg wird zum Naturparadies.

Wie präsent ist das Thema Nachhaltigkeit und Ökologie im Weinhandel?

Steigend! [lacht] Im Gros der Weine machen nachhaltige Weine noch immer einen kleinen Anteil aus. Aber das Bewusstsein für Nachhaltigkeit nimmt in der Schweiz und weltweit – übrigens nicht erst seit Greta – deutlich zu. Klar profitieren davon jetzt auch diejenigen Anbieter, die sich schon jahrelang und aus Überzeugung mit diesem Thema beschäftigen.

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Weinbau mit Zukunftsvision

Ist «greenwashing» auch in der Weinindustrie ein Thema?

Nun ja, es gibt ja praktischen keinen Weinhändler mehr, der nicht irgendwo auch mit einem Biowein wirbt. Wenn aktuell vermehrt qualitätsorientierte Winzer oder Anbieter auf Bio-Weinbau umsteigen, würde ich aber trotzdem nicht generell von «Greenwashing» sprechen. Sie sehen einfach, dass der konventionelle Weinbau wenig Zukunft hat, wenn dabei gewisse Traubensorten nicht mehr auf Pestizide reagieren und der Boden zerstört wird, der ja die Grundlage der Landwirtschaft ist. Die qualitätsorientierten Winzer arbeiten heute naturnah aus Überzeugung und weil sie der Natur helfen und sie schützen wollen. Sie möchten einen Terroir-Wein herstellen und das, was auf dem Weinberg passiert, auch in die Flasche bringen.

Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Weinbau?

Es gibt Regionen wie das Alentejo im Süden Portugals oder Katalonien, wo es zum Teil eigentlich schon zu heiss für Weinbau ist. Der Klimawandel führt dazu, dass man die Weinlese in gewissen Regionen heute zwei Wochen früher machen muss. Das kann gerade in wärmeren Gebieten ein Problem werden, weil sich die sogenannte phenolische Reife, die wesentlichen Einfluss auf die Weinqualität hat, nicht voll entwickeln kann. Es gibt aber auch gewisse Länder, die davon profitieren, beispielsweise die Schweiz. Viele Weintrinker bevorzugen kräftige, runde, fruchtige Weine, wie man sie früher fast nur im Süden herstellte konnte, etwa den bekannten Primitivo aus Apulien. Heutzutage gibt’s auch aus der Schweiz so Kraftbrocken mit locker mal 14,5 Volumen-Prozent. Im Gegenzug sehe ich aber auch gewisse Länder- und Regions-Typizitäten in Gefahr: An der Mosel oder in Rheinhessen werden weltbekannte Rieslinge hergestellt, die für ihre Filigranität und knackige Säure bekannt sind. Doch der Riesling mag keine allzu warmen Temperaturen. Wenn es so weitergeht, werden wohl bald südlichere Traubensorten dort Einzug erhalten. Auch die Tatsache, dass heute Länder wie Schweden oder Grossbritannien schon Wein herstellen, zeigt den massiven Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau.

Welche Herausforderung stellt die Zukunft an den Weinbau?

Unser Fokus liegt derzeit auf zwei Bereichen. Auf Château Duvivier, unserem Forschungsweingut in der Provence, suchen wir nach Lösungen, wie dem eben angesprochenen Klimawandel begegnet werden kann. Hier beschäftigen wir uns unter anderem mit dem Thema Permakultur. Mit diesem Konzept sollen Ökosysteme gestärkt, die Bodenfruchtbarkeit erhöht und Erträge gesteigert werden, etwa mit der Speicherung und Verteilung von Regenwasser. Unsere Winzer in den heissen Regionen Portugals oder in Südspanien haben solche Massnahmen bereits umgesetzt. Andererseits testen wir mit einigen Delinat-Winzern neue Traubensorten, die keinen Pflanzenschutz benötigen. Dabei handelt es sich um neue Kreuzungen, die resistent sind gegen Pilzkrankheiten wie den Mehltau. Pilzwiderstandsfähig, daher auch der gängige Name PIWIs.

Unterscheidet sich Biowein geschmacklich gegenüber Wein aus konventionellem Anbau?

Ich behaupte: nein! Biologisch und konventionell hergestellte Weine haben eines gemeinsam: ein gut gemachter Wein ist ein gut gemachter Wein. Einen Unterschied gibt’s dann aber sehr wohl nach dem Genuss eines Delinat-Weines: Nämlich das gute Gewissen, der Natur etwas Gutes getan zu haben.

Sarina Baumberger

Content Manager BRACK.CH

Foodista, e-Sports-Enthusiastin & Sprachfreundin | Ich schreibe nebst meinem Studium Texte für BRACK.CH für Produkte und Themenwelten aus dem Food-Bereich und lasse mich davon auch in meiner eigenen Küche inspirieren.

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