Whisky aus Fernost
Bei «Whisky» denken die meisten an Schottland und die USA. Unter Kennern stehen jedoch auch Whiskys aus Ostasien sehr hoch im Kurs. Japan hat eine über 100-jährige Whiskygeschichte und auch Taiwan muss sich trotz des jungen Alters seiner Vorzeigedestillerie Kavalan keineswegs verstecken. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf drei asiatische Whiskyhäuser, die man kennen muss.
Seit 1924 wird in Japan kommerziell Whisky hergestellt, doch die Spirituosen von den japanischen Inseln waren lange Zeit im Ausland kaum bekannt. Sie wurden zu Unrecht belächelt als minderwertige Kopie der etablierten schottischen und amerikanischen Destillate. Erst innerhalb der letzten 20 Jahre ist japanischer Whisky in der westlichen Welt «angekommen», dies dafür mit Nachdruck: Regelmässig gewinnen diese Whiskys nun Goldmedaillen an renommierten Wettbewerben wie der International Spirits Challenge und überzeugen auch den «Whiskypapst» Jim Murray, der mit seiner Whisky Bible jedes Jahr das einflussreichste Ranking von Whiskys publiziert. Bereits mehrere Male ernannte er ein japanisches Destillat zum «Whisky des Jahres». Ein begehrter Titel, der dafür sorgt, dass der Preis des prämierten Whiskys durch die Decke schiesst und er dennoch innert Kürze vergriffen ist.
Entsprechend diesen Erfolgen ist auch das Interesse der Kundschaft an Whiskys aus Fernost explodiert – selbst überzeugte Fans schottischer Whiskys kommen immer mehr auf den Geschmack. So ist heute der japanische Suntory-Konzern der drittgrösste Spirituosen-Produzent weltweit, weshalb wir uns diesen als erstes etwas genauer anschauen.
Suntory
Suntory kann für sich in Anspruch nehmen, die Whiskygeschichte Japans begründet zu haben. Shinjiro Torii gründete die Firma 1899, um Wein nach westlichem Vorbild für den japanischen Markt herzustellen. In den 1920er-Jahren wollte er sein Sortiment um Whisky erweitern und eröffnete dazu 1924 die Yamazaki-Brennerei nördlich von Osaka am Fuss des Tennozan-Berges. Er engagierte Masataka Taketsuru als Präsident von Yamazaki, da dieser in den Jahren davor als erster Japaner in verschiedenen schottischen Destillerien die Kunst der Whiskyherstellung studiert hatte. 5 Jahre später erschien der Yamazaki-Whisky und damit der erste kommerziell produzierte Whisky der japanischen Inseln.
Bereits 1931 wurde Suntory-Whisky exportiert. Torii führte laufend neue Marken ein und vergrösserte sein Weinangebot, bis der Eintritt Japans in den zweiten Weltkrieg die Geschäfte vorerst fast zum Erliegen brachte. Mit dem Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre wurde Whisky für eine viel breitere Bevölkerungsschicht erschwinglich und Suntory konnte wieder expandieren.
Dies auch dank geschickter Werbekampagnen, die bei der japanischen Bevölkerung einen Nerv trafen, indem sie zum Beispiel den Whisky als moderne Alternative zum «veralteten» Sake priesen. Im Rahmen einer Kampagne von 1961 unter dem Namen «Trinken Sie Suntory und reisen Sie nach Hawaii» wurde eine Reise auf die Südseeinseln verlost – zu einer Zeit, in der sich kaum jemand in Japan eine Auslandsreise leisten konnte.
Daneben etablierte Suntory auch eine Reihe von Bars in ganz Japan, die Tory-Bars, die natürlich die gesamte Produktpalette von Suntory im Regal hatten. Dort wurde mit dem sogenannten «Mizuwari» eine neue Art angeboten, um Whisky zu trinken, nämlich: mit Leitungswasser verdünnt. So hatte der Whisky nur noch einen Alkoholgehalt von höchstens 15 Volumenprozent und kam auch für eine Kundschaft in Frage, für die purer Whisky zu stark war. Der Mizuwari verbreitete sich rasch im ganzen Land als bevorzugte Methode des Whiskygenusses, gemeinsam mit dem Whisky Soda oder «Highball». Mehr zur japanischen Trinkkultur erfahren Sie in unserem Blog.
Diese Erfolge machten Suntory zu einem bekannten Namen und der Absatz von Suntory Old, dem Flaggschiff des Sortiments zu jener Zeit, stieg von etwa 9 Millionen Flaschen im Jahr 1970 auf über 100 Millionen nur 10 Jahre später. So konnte Suntory weitere Destillerien errichten, Chita im Jahr 1972 und Hakushu 1973.
Mit dem Wachstum kamen mehrere Übernahmen: In den 90er-Jahren kaufte Suntory die schottischen Whisky-Destillerien Bowmore, Auchentoshan und Glen Garioch. Und 2014 folgte der Kauf von Jim Beam, dem grossen amerikanischen Whiskey-Produzenten, für ca. 16 Milliarden US-Dollar. Jim Beam hatte viele Destillerien in seinem Besitz, die nun an Suntory übergingen, darunter Hersteller von Whisky (u.a. Laphroaig, Canadian Club), Tequila (Sauza), Cognac (Courvoisier) und Gin (Sipsmith).
Im Sortiment, das direkt von Suntory hergestellt wird, befinden sich heute über 100 unterschiedliche Malt Whiskys, die unter verschiedenen Marken verkauft werden. Sie unterscheiden sich durch eine grosse Vielfalt an Herstellungsweisen, z.B. Form und Grösse der Brennblasen, Bauart der Gärbottiche und das verwendete Quellwasser. In der firmeneigenen Küferei produziert Suntory die benötigen Fässer, teilweise aus japanischer Mizunara-Eiche. Sechs Master Blender sorgen dafür, dass jede Abfüllung geschmacklich den hohen Ansprüchen der Kundschaft gerecht wird.
Nikka
Nikka ist das zweitgrösste Whiskyhaus Japans. Die Geschichte dieser Firma ist eng mit der von Suntory verbunden, denn Masataka Taketsuru, der erste Präsident der Yamazaki-Destillerie, verliess Suntory 1934, um sich selbstständig zu machen. Er eröffnete seine eigene Firma «Dai Nippon Kaju» («Grosser japanischer Safthersteller», siehe nächsten Abschnitt) im Ort Yoichi auf Hokkaido, der nördlichsten der vier grossen Inseln Japans. Diesen Standort wählte er, weil das Klima dort demjenigen in Schottland sehr ähnlich ist. Das Klima hat nämlich einen entscheidenden Einfluss auf den Reifeprozess von Whisky und Taketsuru wollte geschmacklich möglichst nahe an die Schotten herankommen.
Da die Reifung einige Jahre dauert, bevor der Whisky verkauft werden kann, begann Taketsuru mit dem Verkauf von Apfelsaft, um einen Umsatz zu erwirtschaften. 1936 entwarf er eine Brennblase nach seinen Vorstellungen und installierte diese – die Produktion von Whisky konnte beginnen. Nach 4 Jahren brachte er seinen ersten Whisky auf den Markt, den er «Nikka» nannte. Dies ist eine Abkürzung des damaligen Firmennamens (NIppon KAju) und wurde später auch zum bis heute verwendeten Firmennamen.
Im Unterschied zu Shinjiro Torii von Suntory war Taketsuru von Beginn weg eher am Handwerk der Whiskyherstellung interessiert als an der Führung eines Unternehmens. So verkaufte er Nikka 1954 an eine grosse Holdingfirma, blieb jedoch in der Produktion und Weiterentwicklung tätig. Diese Entscheidung verschaffte Nikka das nötige Kapital für diverse Expansionen, die in den nächsten Jahren folgen sollten. Dazu gehörte unter anderem 1963 der Import einer schottischen Brennsäule, mit der Nikka fortan neben Malt auch Grain Whisky produzierte.
In den 60er-Jahren machte sich Taketsuru auf die Suche nach der idealen Lage für eine zweite Destillerie – ganze drei Jahre befasste er sich damit. Fündig wurde er schliesslich im Norden der Hauptinsel Honshu, mitten in einem dicht bewaldeten Gebiet, wo sich zwei Flüsse treffen, einer davon mit dem passenden Namen Nikkawa. Dort wurde 1969 die Destillerie Miyagikyo eröffnet. Während sich die erste Nikka-Brennerei in Yoichi auf eher schwere und teils rauchige Whiskys nach schottischem Vorbild konzentrierte, wurden hier leichtere Destillate erzeugt. Unter anderem durch den Einsatz anders geformter Brennblasen und einen kürzeren Gärungsprozess.
Neben dieser Destillerie errichtete Nikka nach und nach weitere Betriebe, die die Brennereien unterstützten und ergänzten: Lagerung und Abfüllung von Whisky sowie auch Herstellung anderer alkoholischer Getränke wie Cider, Weinbrand und Shochu, ein japanischer Likör. Bereits vor Suntory expandierte Nikka zudem nach Schottland und kaufte 1989 die Destillerie Ben Nevis.
Bis Ende der 90er-Jahre wurde japanischer Whisky in erster Linie im eigenen Land verkauft. Der internationale Durchbruch kam 2001, als ein Nikka-Whisky aus der Brennerei Yoichi einen Blindtest des Whisky Magazine gewann. Die Whisky-Welt wurde mit einem Mal auf den Whisky aus Fernost aufmerksam. Wohl nicht aus Zufall begann Nikka in diesem Jahr mit dem Export seines Whiskys nach Europa. Seither hat Nikka sein Angebot laufend ausgebaut und bietet heute ein Sortiment von 15 Single Malts, Blends, Grain Whiskys sowie einen Gin und einen Vodka.
Die Brennblasen in der Nikka-Destillerie auf Hokkaido. Unten rechts ist die Tür des Ofens zu sehen, mit dem die Brennblasen geheizt werden. Quelle: Adobe Stock, photo 34
Neuer Deklarations-Standard seit 2021
Trotz seiner grossen Beliebtheit hatte japanischer Whisky lange Zeit ein Problem: Ihm fehlte eine geschützte oder definierte Herkunftsbezeichnung. Das bedeutete, dass Whiskys, die als «japanisch» verkauft wurden, unter Umständen nur teilweise aus Japan stammten. Gerade bei den Blends setzten japanische Hersteller gerne auf schottische Whiskys, um sie mit ihren eigenen Destillaten zu vermischen. Auch Herstellungsmethoden waren nicht verbindlich festgelegt.
Damit ist seit 2021 Schluss. Die Vereinigung der japanischen Destillerien, zu der auch Nikka gehört, hat sich per April 2021 auf einen einheitlichen Standard geeinigt, der folgendes beinhaltet:
- Getreide und Wasser, aus dem der Whisky hergestellt wird, müssen aus Japan stammen.
- Das Getreide muss gemälzt werden.
- Sämtliche Schritte der Produktion (Mälzen, Gärung, Destillation, Reifung und Abfüllung) müssen in Japan stattfinden.
- Die minimale Reifedauer beträgt 3 Jahre.
- Der minimale Alkoholgehalt bei der Abfüllung beträgt 40 Volumenprozent.
Kavalan
In Taiwan wird erst seit rund 15 Jahren Whisky hergestellt. Zwischen 1895 und 1945 war die Insel im südchinesischen Meer von den Japanern besetzt, die die Alkoholproduktion einem Staatsmonopol unterstellten. Die Kuomintang-Partei, die Taiwan von 1949 bis 1990 autoritär regierte, behielt dieses Monopol bei – das Staatsunternehmen Taiwan Tobacco and Liquor Corporation (TTL) produzierte vor allem Bier und hatte kein Interesse an Whisky. In den 90er-Jahren wurde Taiwan demokratisiert und das Staatsmonopol 2002 schliesslich aufgehoben.
Darauf hatte eine Firma sehnlichst gewartet: Die King Car Group, ein erfolgreicher Kaffeeproduzent, der bereits 1995 erfolglos gegen das Staatsmonopol der Alkoholproduktion gekämpft hatte. Nun war die Zeit gekommen und King Car begann sogleich mit der Planung einer Whiskydestillerie, die nach den Ureinwohnern Taiwans benannt wurde: Kavalan. Diese öffnete ihre Türen im Dezember 2005 und brannte im darauffolgenden März den ersten Whisky, den Kavalan Classic, der rund zweieinhalb Jahre später in den Verkauf gelangte.
Innert kürzester Zeit konnte sich Kavalan in der Whiskywelt etablieren. Schon 2010 gewann der Classic eine Experten-Blindverkostung, die im Rahmen der Burns Night durchgeführt wurde, einer traditionsreichen Veranstaltung, an der schottischer Whisky zelebriert wird – ein Schock für die erfolgsverwöhnten Schotten!
Weitere Erfolge liessen nicht lange auf sich warten. Dreimal hintereinander gab es den Preis für die «Beste Destillerie in Asien» und nichts weniger als die Auszeichnung: «Bester Single Malt Whisky» an den World Whiskies Awards 2015. Insgesamt hat die junge Brennerei über 200 Auszeichnungen gewonnen.
Wie ist es möglich, dass eine Destillerie mit verhältnismässig wenig Erfahrung alle «alten Hasen» aus Schottland, den USA und Japan so regelmässig ausstechen kann? Einerseits dürfte dies genau an der starken Konkurrenz liegen: Bei Kavalan wusste man von Anfang an, dass man nichts anderes als Perfektion liefern muss, wenn man sich im umkämpften Whiskymarkt einen Namen machen wollte. Also scharte Kavalan schon ganz zu Beginn renommierte Whiskyexperten um sich, teilweise direkt aus Schottland. Andererseits herrscht in Taiwan ein besonderes Klima, es ist sehr warm und feucht. Dies beeinflusst die Reifung des Whiskys im Fass und beschleunigt sie massiv: Nach vier Jahren hat ein taiwanesischer Whisky etwa denselben Reifegrad wie ein 15-jähriger Scotch!
Dies bedeutet allerdings auch, dass deutlich mehr Whisky bei der Reifung verdunstet. Da Whiskyfässer nicht zu 100 Prozent dicht sind, verdunstet mit der Zeit ein Teil des darin gelagerten Destillats. Der sogenannte Angels Share («Anteil der Engel») beträgt in Schottland etwa 2 Prozent pro Jahr – in Taiwan sind es 12! Nach vier Jahren sind also bei Kavalan bereits über 40 Prozent des Fassinhalts verschwunden.
Omar Whisky
Neben Kavalan gibt es noch eine andere taiwanesische Whiskydestillerie, die hierzulande jedoch deutlich weniger bekannt ist: Omar Whisky. Die Brennerei wurde ironischerweise von dem Staatsunternehmen gegründet, welches jahrzehntelang die Entstehung einer Whiskyindustrie in Taiwan verhindert hatte, TTL. Sie begann mit der Produktion 2009 und brachte die erste Charge 2013 auf den Markt. Diese Abfüllung gewann in ihrer Kategorie bei den World Whiskies Awards gleich im Folgejahr die Goldmedaille. Weitere Auszeichnungen für andere Abfüllungen folgten. Der Name der Destillerie klingt zwar nach einem Männernamen aus dem arabischen Raum, geht jedoch auf das Gälische zurück, bedeutet «Bernstein» und bezieht sich auf die Farbe des Whiskys.
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