Rum: Geschichte, Herkunft & Herstellung
Rum ist in unserer Wahrnehmung untrennbar mit der Karibik, mit Piraten und der Seefahrerei allgemein verbunden. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Ursprünge des Zuckerrohrbrandes und zeigen auf, wie er hergestellt wird.
Kolonien, Sklaverei & Piraten – Die bewegte Geschichte des Rums
Die Geschichte des Rums ist zugleich auch die Geschichte des Zuckerrohres, aus dem er hergestellt wird. Obwohl die Zuckerrohrpflanze seit Jahrhunderten auf den karibischen Inseln angebaut wird, ist sie dort nicht heimisch. Sie wurde von Christoph Kolumbus auf seiner zweiten Reise über den Atlantik 1493 mitgebracht und zunächst in Puerto Rico und Jamaika eingeführt. Dort gedieh sie prächtig und ihr Anbau wurde schon bald auf weitere Karibikinseln ausgeweitet.
Bereits kurz nach der «Entdeckung» der Karibik, Ende des 15. Jahrhunderts, wurden die dortigen Inseln zunächst von den Spaniern und rund ein Jahrhundert später auch von den Engländern kolonialisiert. Die Ureinwohner dieser Gebiete wurden der Krone unterstellt und mussten Zwangsarbeit leisten – unter anderem auf den Zuckerrohrplantagen. Die einheimischen Sklavenarbeiter waren der schweren Arbeit auf den Plantagen jedoch nicht gewachsen. Daher entschieden sich die Kolonialherren, Sklaven aus Afrika einzusetzen. So wurden die Zuckerplantagen Teil des atlantischen Dreieckshandels zwischen Nordamerika, Europa und Afrika, in dessen Rahmen viele Millionen afrikanischer Sklaven in die «neue Welt» verschleppt wurden.
Wo und wann genau der Schritt von Zucker zu Rum geschah, ist nicht bekannt. Viele Zeichen deuten auf Barbados hin, ganz im Südosten der Karibik. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts fiel den Sklaven eines Tages bei der Verarbeitung des Zuckerrohrs auf, dass Melasse, ein Nebenprodukt der Zuckerherstellung, vergärt, wenn man Wasser hinzugibt. Der Geschmack dieses ersten «Rums» scheint ihnen zugesagt zu haben, denn bald konsumierten sie ihn regelmässig. Die berauschende Wirkung dürfte zudem eine willkommene Ablenkung von den enormen Strapazen des Sklavenlebens gewesen sein. Dies sprach sich bald herum und die Plantagenaufseher nutzten das Getränk als Belohnung, um die Sklaven zu noch höheren Leistungen anzutreiben.
Seefahrer kommen auf den Geschmack
Kurze Zeit später waren bereits die ersten kupfernen Brennblasen auf ihrem Weg in die Karibik. Diese erlaubten die Herstellung grösserer Mengen Rums und sie werteten den Geschmack des Endprodukts deutlich auf. Der Rum blieb aber dennoch «ungeschliffen» und hochprozentig, sodass er von den Kolonialherren verschmäht wurde. Dankbare Abnehmer waren jedoch die Seeleute, die auf der Suche nach einem haltbaren Getränk für ihre monatelangen Schiffsreisen waren.
Wein und Bier, das diese von Europa mitbrachten, verdarben beim karibischen Klima enorm schnell und waren auf den Schiffen nicht zu gebrauchen. Der Rum hingegen blieb dank des hohen Alkoholgehalts haltbar. Schon bald entdeckten die Seeleute ausserdem, dass die Aufbewahrung in Holzfässern den Geschmack des Rums verbesserte – Der Grundstein für die Fassreifung war gelegt.
Die Marinen der Kolonialstaaten erkannten ebenfalls rasch den Vorteil des Rums, nahmen ihn als offiziellen Teil der Ration auf und setzten ihn teilweise auch zur Bezahlung ihrer Matrosen ein. Bereits um 1650 erhielten Seeleute täglich Rum ausgeschenkt. Aufgrund des hohen Alkoholgehalts des Rums und der daraus resultierenden häufigen Trunkenheit an Bord wurden die Rum-Rationen zunächst in kleinere Portionen aufgeteilt. Als dies nicht den gewünschten Effekt hatte, begannen die Briten 1740 damit, den Rum mit Wasser zu verdünnen. Dieses Getränk wurde als «Grog» bezeichnet.
Dank der Nachfrage der Marinen nach Rum hatten die Zuckerplantagen in der Karibik eine Win-Win-Situation: Rum wird nämlich aus einem Abfallprodukt der Zuckerproduktion hergestellt, der Melasse. Diese konnten sie gewinnbringend weiterverarbeiten, anstatt sie wegzuwerfen. Und für die Seeleute war die Beschaffung von Hochprozentigem vor Ort deutlich günstiger als etwa der Import von französischem Brandy. Aufgrund ihrer Wichtigkeit genossen die Rumdestillerien zudem den Schutz der Kolonialstaaten vor den Piraten.
'ne Buddel voll Rum – Piraten und Rum
Die heute allgegenwärtige Assoziation von Rum mit Piraten kommt nicht von ungefähr. In der Blütezeit der karibischen Piraterie Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche Handels- und Transportschiffe gekapert und damit auch grosse Mengen Rum. Neben dem Eigenbedarf – der berüchtigte Edward Teach, genannt Blackbeard, soll einen enormen Verbrauch gehabt haben – handelten die Piraten auch mit dem erbeuteten Rum.
Unsterblich wurde die Verbindung mit Robert Louis Stevensons Roman Treasure Island («Die Schatzinsel») von 1883, in dem der Rum genauso zum Piratenleben dazugehört wie Schiffe und Säbel. Von dort stammt auch der Ausdruck «Fifteen men on the dead man's chest, yo-ho-ho, and a bottle of rum!» («Fünfzehn Mann auf des Toten Kist', yo-ho-ho und 'ne Buddel voll Rum»), den die Piraten im Roman wiederholt singen.
Neben der Popkultur (etwa in der bekannten Filmreihe «Fluch der Karibik») wird die Assoziation auch gerne von den Rumherstellern aufgenommen, entweder im Namen wie bei Captain Morgan und Pyrat oder auf dem Etikett wie bei Lyre's. Auch der Kraken, das legendäre Seeungeheuer, wird mit einem Rum gewürdigt.
Globale Expansion des Rums
Das Geschäft der Rumdestillerien florierte und sie steigerten neben der Menge auch die Qualität. So öffneten sich neue Märkte für den Rum, ausserhalb der seefahrenden Kundschaft. Exporte gelangten nach Europa und Nordamerika. Der Rum schaffte den Sprung aufs Festland, sozusagen. Um 1730 – dem Ende des so genannten «Goldenen Zeitalters» der karibischen Piraten – wurden allein aus Barbados über 3 Millionen Liter Rum exportiert (zur Referenz: 2020 waren es 11.7 Mio. Liter). Es entstanden überaus erfolgreiche Destillerien, die teilweise bis heute bestehen, wie etwa Mount Gay, wo seit mindestens 1703 (!) Rum produziert wird.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielten die karibischen Zuckerrohrplantagen Konkurrenz aus Europa. Dort hatte man nämlich mit der Kultivierung der Zuckerrübe begonnen, die schon bald die Hälfte des weltweiten Zuckerbedarfs decken sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Rumhersteller gleichzeitig auch Zuckerproduzenten. Angesichts der Konkurrenz stampften einige von ihnen nun die Plantagen ein und konzentrierten sich fortan ausschliesslich auf die Rumdestillation.
Eine der bekanntesten Rumdestillerien ist Bacardi, eine Firma, die untrennbar mit der Erfolgsgeschichte des Rums verbunden ist. Facundo Bacardí Massó gründete die Brennerei 1862 auf Kuba, nachdem er sich gut ein Jahrzehnt lang damit beschäftigt hatte, Herstellungsweise und Geschmack zu optimieren und den weissen Rum zu entwickeln, der sich ideal für Cocktails eignet. Diese Investitionen zahlten sich aus und der Bacardi Rum war schnell äusserst beliebt.
Bereits zur Jahrhundertwende war das Unternehmen in der Lage, den Bau öffentlicher Parks zu finanzieren und Emilio Bacardí, der Sohn Facundos, wurde Bürgermeister von Santiago de Cuba, einer der grössten Städte Kubas. Während der Kubanischen Revolution wurden 1960 sämtliche Vermögenswerte Bacardís beschlagnahmt, die sich auf Kuba befanden, und die Familie verliess das Land. Glücklicherweise unterhielt die Firma bereits Zweigstellen und Produktionsstätten ausserhalb Kubas und konnte nahtlos mit dem Geschäft weitermachen. Knapp 20 Jahre später, 1979, war Bacardí die meistverkaufte Spirituosenmarke der Welt und konnte in den folgenden Jahrzehnten viele andere Hersteller aufkaufen, sodass heute mehr als 200 Marken zum Konzern gehören.
Heute gibt es eine nie dagewesene Vielfalt von Rums, die längst nicht mehr alle aus der Karibik stammen. Zwei der zehn grössten Rumproduzenten sind aus Indien und die Nummer eins destilliert ihr Produkt auf den Philippinen. Sogar aus der Schweiz gibt es seit einigen Jahren einen Rum, der aus Zuckerrüben hergestellt wird.
Übrigens: Die Praxis der Rumrationen auf britischen Marineschiffen wurde erst 1970 (!) abgeschafft, über 300 Jahre nach ihrer Einführung. In der kanadischen Marine wird bei besonderen Anlässen noch heute Rum ausgeschenkt.
Die Herstellung von karibischem Rum
Rum wird in den meisten Fällen aus Zuckerrohr hergestellt. Auf den karibischen Inseln wird aufgrund der geringen Fläche bei Weitem nicht genügend Zuckerrohr angebaut, um den Bedarf der Rumindustrie zu decken. Daher kaufen die dortigen Destillerien einen grossen Teil im Ausland ein, unter anderem in Indien und Brasilien, den mit Abstand grössten Produzenten von Zuckerrohr.
Als erstes werden die Halme der Zuckerrohrpflanze zerkleinert und ausgepresst, um den darin enthaltenen Zucker abzutrennen. Es gibt Destillerien – unter anderem in französischen Überseegebieten wie Martinique, Guadeloupe und La Réunion –, die diesen Zuckersaft direkt zur Rumherstellung nutzen. Meist stammt dann das Zuckerrohr aus eigener Produktion und ist nicht importiert. Das so hergestellte Destillat wird als «Rhum Agricole» bezeichnet. Die französische Bezeichnung bedeutet «landwirtschaftlich» und bezeichnet den handwerklichen Charakter dieser Art der Rumproduktion. Ausserdem ist es eine geschützte Bezeichnung nach AOC-Standards.
Solche handwerklichen Produktionen sind jedoch die Ausnahme: Der absolute Löwenanteil des Rums weltweit (rund 95%) wird aus Melasse hergestellt. Um die Melasse zu erhalten, wird der aus dem Zuckerrohr gepresste Saft in mehreren Durchgängen gekocht, damit sich Zuckerkristalle bilden, die zu regulärem Zucker weiterverarbeitet werden. Zurück bleibt die Melasse, die immer noch einen hohen Zuckeranteil hat, der jedoch für die Zuckerproduktion nicht extrahiert werden kann.
Der nächste Schritt ist die Gärung in einem Gärbottich, unabhängig davon, ob Zuckerrohrsaft oder Melasse verwendet wird. Dabei werden Hefekulturen zugesetzt, die während mehreren Tagen den Zucker in Alkohol umwandeln. Welche Hefen das sind, ist eine Wissenschaft für sich, denn sie haben einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack. Manche Destillerien kaufen sie ein, andere setzen auf Hefestämme, die sie selbst kultivieren, manchmal seit Gründung der Brennerei (!). Am Ende entsteht die so genannte Maische, die einen Alkoholgehalt von etwa 6-10 Prozent hat.
Anschliessend wird die Maische destilliert, um den Alkoholgehalt zu erhöhen und unerwünschte Stoffe abzusondern. Dafür gibt es zwei Methoden, die Brennblase (Eng: pot still) oder die Brennsäule (column still).
Destillation in der pot still
Dies ist die aufwendigere der beiden Methoden, sorgt aber für ein geschmacklich interessanteres Endprodukt. Die pot still ist eine kupferne Brennblase mit einem bauchigen Teil am Boden und einem langen schmalen Hals, der mehrere Meter hoch sein kann. In ihr wird die Maische erhitzt, sodass sich der Alkohol und diverse Aromen vom Wasser lösen, weil sie einen niedrigeren Siedepunkt haben als Wasser. Der dabei entstehende Dampf steigt in den Hals der Brennblase und wird anschliessend durch Abkühlung kondensiert. Diese Flüssigkeit hat rund 20 Prozent Alkohol.
Weil dies für Rum noch zu wenig ist (37.5 Volumenprozent sind das zugelassene Minimum) und das Destillat noch unerwünschte Fuselöle enthält, erfolgt ein zweiter Brennvorgang nach demselben Prinzip, in der spirit still. Der noch vorhandene Zucker wird dabei übrigens nicht mit-verdampft, die Süsse im Rum stammt ausschliesslich von der Fassreifung oder wird nachträglich zugesetzt. Anders als etwa bei Whisky ist beim Rum die Zugabe von Zucker nicht verboten.
Nach jedem Brennvorgang müssen die Brennblasen gereinigt werden, bevor sie mit der nächsten Charge Maische befüllt werden können und die Destillation erneut beginnen kann. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Destillation in der Brennblase aufwendiger – und dadurch teurer – ist als in der Brennsäule.
Das Destillat, das aus der spirit still austritt, wird in drei Abschnitte unterteilt, den Vor-, den Mittel- und den Nachlauf. Vor- und Nachlauf enthalten Stoffe mit unerwünschten Aromen, wie etwa Essigsäure, die vom wertvollen Mittellauf getrennt werden müssen. Es ist die Aufgabe des master distillers, zu Deutsch Brennmeister*in, diese Trennungen vorzunehmen, was eine grosse Erfahrung voraussetzt. Dies geschieht über die Kontrolle der Temperatur in der Brennblase: Die verschiedenen Stoffe in den drei Abschnitten haben unterschiedliche Siedepunkte. Sobald die Temperatur in der spirit still also einen gewissen Punkt erreicht hat, sind alle unerwünschten Stoffe des Vorlaufs verdampft und der master distiller kann den Mittellauf abtrennen. Die Temperatur wird weiter erhöht, bis der Mittellauf komplett verdampft ist. Dann wird noch der Nachlauf abgetrennt.
Der Mittellauf ist der Teil des Destillats, der anschliessend weiterverarbeitet wird. Bevor wir dazu kommen, werfen wir zunächst noch einen Blick auf die Säulendestillation.
Destillation in der column still
Das Grundprinzip dieser Destillation ist dasselbe wie bei der Brennblase: Durch Erhitzen der Maische werden Alkohol und Aromastoffe von unerwünschten Stoffen getrennt. Anders als die pot still erlaubt die Brennsäule jedoch eine kontinuierliche Destillation. Die Säule muss also nicht zwischen den Brennvorgängen gereinigt und neu befüllt, sondern kann rund um die Uhr betrieben werden. Daher ist sie in der Rumproduktion deutlich verbreiteter als die pot still.
Die Säulendestillation funktioniert so:
Die Brennsäule ist zehn bis zwanzig Meter hoch und besteht im Innern aus vielen gelochten Zwischenböden. Oben wird die Maische hineingegeben und von unten steigt heisser Dampf auf. Die Maische fällt nach unten und verteilt sich auf den Zwischenböden. Aufgrund der hohen Temperatur verdampft die Maische überall und steigt zum jeweils nächsten Zwischenboden auf, wo die Temperatur etwas niedriger ist als auf dem unteren Boden. Hier kondensiert der aufsteigende Dampf und verdampft sogleich erneut. Aufgrund der niedrigeren Temperatur verdampft nun etwas weniger Wasser als zuvor, sodass der Alkoholgehalt ansteigt. Der Dampf steigt zum nächsten Zwischenboden hoch und der Vorgang wiederholt sich.
So durchläuft die Maische mehrere einzelne Destillationsvorgänge auf jedem Zwischenboden, bis sie von einem Grossteil des Wassers, Fuselölen und anderen unerwünschten Aromastoffen befreit ist. Das fertige Destillat mit bis zu 96 Volumenprozent Alkohol verlässt die Brennsäule ganz oben in der Form von Dampf und muss nur noch ein letztes Mal kondensiert werden.
Manche Destillerien setzen nach dieser ersten Brennsäule noch eine zweite Säule ein, den sogenannten rectifier, zu Deutsch «Berichtiger». Das gasförmige Destillat aus der ersten Säule wird unten eingeführt und zirkuliert hier, bis es die gewünschte Alkoholstärke erreicht hat. Danach wird es kondensiert und ist bereit für die Reifung.
Die Reifung von Rum
Rumdestillerien sind bei der Reifung ihres Destillats deutlich freier als etwa schottische Whiskyproduzenten. Während letztere ihren Whisky mindestens 3 Jahre lang reifen lassen müssen, kann Rum ohne Reifung verkauft werden. Dies ist der weisse Rum, der farblos ist, weil er keinen Kontakt zu Holz hatte. Deshalb ist dieser Rum für sich allein geschmacklich nicht sonderlich interessant und wird primär zum Mixen von Cocktails verwendet.
Vielfältige Geschmacksnuancen kommen erst mit der Reifung in Eichenfässern zum Vorschein. Dabei können frische Fässer zum Einsatz kommen oder auch solche, die zuvor bereits etwas anderes enthielten, zum Beispiel Bourbon, Cognac oder Sherry.
Während der Reifung überprüfen bzw. degustieren die Mitarbeiter*innen den Rum regelmässig, denn das Destillat sowie auch die Fässer sind Naturprodukte und daher niemals konstant in Qualität und Geschmack. Darum kann nicht im Voraus eine feste Reifezeit festgesetzt werden. Vielmehr braucht es erfahrene Mitarbeiter*innen, die den richtigen Zeitpunkt für die Abfüllung des Rums anhand des Geschmacks bestimmen. Mit zunehmendem Alter wird der Rum zwar komplexer und tendenziell geschmacklich attraktiver, er kann aber auch zu alt werden, d.h. er hat dann zu viele Aromen aus dem Holz des Fasses aufgenommen und sein Geschmack hat sich verschlechtert.
Das tropische Klima der Karibik trägt zu einer Reifung bei, die viel schneller abläuft als etwa bei Whisky im nasskalten Schottland. Ein karibischer Rum braucht verhältnismässig wenig Zeit, um denselben «Reifegrad» zu erreichen wie ein deutlich älterer Scotch. Durch diese beschleunigte Reifung fällt auch der so genannte «angels' share» höher aus. Dieser «Anteil der Engel» bezeichnet die Menge an Alkohol, die während der Reifung aus dem Fass verdunstet. Holzfässer sind nicht komplett dicht, weshalb in der Karibik pro Jahr bis zu 10 Prozentpunkte (!) des Fassinhaltes verloren gehen. Je länger die Reifung dauert, desto weniger Rum befindet sich also im Fass.
Die Reifung im Solera-System
Einige Rumbrennereien – vor allem in ehemaligen spanischen Kolonien wie Guatemala, Venezuela und Kolumbien – wenden bei der Fassreifung das Solera-System an. Dies ist eine aufwändigere Form des Blending (siehe unten), bei der die Inhalte mehrerer Fässer in regelmässigen Abständen miteinander vermischt werden. Dazu schichtet man mehrere Reihen Fässer übereinander und entnimmt aus der untersten Reihe eine bestimmte Menge, um sie in Flaschen abzufüllen. Diese Menge wird aus den Fässern der darüberliegenden Reihe nachgefüllt und so weiter, bis man ganz oben angelangt ist. In die oberste Reihe wird frisch gebrannter Rum eingefüllt. So «arbeitet» sich der Rum über mehrere Jahre von oben bis unten vor.
Dadurch, dass immer dieselben Fässer zum Einsatz kommen und der Rum verschiedenen Alters regelmässig durchmischt wird, entsteht ein äusserst konstanter Geschmack. Diesen zu erzeugen, ist eine der grössten Herausforderungen der Spirituosenherstellung, denn die Kundschaft möchte bei jeder Flasche eines bestimmten Rums das Geschmacksprofil antreffen, das sie kennt und schätzt.
Ein Nachteil aus Kundensicht sind dafür die lockeren Vorschriften bezüglich der Altersangabe beim Rum. Durch die stetige Mischung von unterschiedlich altem Rum lässt sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr exakt sagen, welches Alter er genau hat. Die Hersteller dürfen aber das Alter des ältesten vorkommenden Rums auf die Flasche schreiben, auch wenn davon nur noch ein kleiner Anteil vorhanden ist.
Ob ein «15-jähriger» Rum aus einer Solera-Reifung wirklich 15 Jahre im Fass verbracht hat, oder nur ein Drittel des Flascheninhalts so alt ist, kann man als Konsument*in nicht nachvollziehen. Einige Hersteller setzen hier jedoch auf Transparenz, wie etwa Ron Zacapa bei seinem No. 23, der mit «zwischen 6 und 23 Jahren» deklariert wird.
Abfüllung
Hat der Rum den richtigen Reifegrad erreicht, folgt als nächstes das Blending, also das Vermischen von verschiedenen Fässern. Es ist die die Aufgabe des master blenders, dafür zu sorgen, dass immer der gleiche Geschmack beim Endprodukt erzielt wird. Erfahrung und eine ausgesprochen gute Nase sind da gefragt.
Ein Grossteil des Rums wird vermischt, bevor er in die Flasche gefüllt wird. So genannte Single Barrel Abfüllungen, bei denen der Inhalt eines Fasses ohne Blending abgefüllt wird, sind zwar auf dem Vormarsch, machen jedoch an der weltweit produzierten Menge Rum nur einen Bruchteil aus. Solche Rums haben einen individuellen Geschmack, den es in dieser exakten Form kein zweites Mal gibt.
Vor dem Abfüllen wird der Rum üblicherweise noch mit Wasser auf eine Trinkstärke von rund 40 Volumenprozent verdünnt. Direkt ab Fass hat Rum nämlich gut und gerne mehr als 60 Prozent Alkohol, was den meisten Konsument*innen deutlich zu viel ist. Viele Destillerien bieten jedoch auch unverdünnte Rums an, genannt cask strength («Fassstärke»), die sich an Geniesser*innen richten. Übrigens, die Bezeichnung «XO», die Sie auf vielen Rumflaschen finden, steht für «Extra Old». Das bedeutet, dass der Rum mindestens 6 Jahre gelagert wurde.
Viele Rums werden vor der Abfüllung noch mit dem Farbstoff Zuckerkulör (E150a) eingefärbt. Weil der Rum ein Naturprodukt ist, kann seine Farbe mit der Zeit variieren. Um dies zu korrigieren, kommt der Farbstoff zum Einsatz. Böse Zungen sagen auch, manche Destillerien würden ihren Rum dunkel einfärben, um ihn älter und damit hochwertiger wirken zu lassen.
Neben den reinen Rums gibt es auch noch die Spiced Rums, die mit verschiedenen Gewürzen und Geschmacksstoffen versetzt werden und vom Alkoholgehalt her etwas milder sind. Sie eignen sich besonders als Basis von Cocktails. Bekannte Vertreter sind Captain Morgan Spiced Gold und Bacardi Spiced.
Rum & Cachaça
Eine Sonderform des Rums ist der Cachaça, der nur in Brasilien hergestellt werden darf. Er hat einige Gemeinsamkeiten mit dem Rum, jedoch auch einige entscheidende Unterschiede. Die beiden Spirituosen teilen sich das Grundprodukt, Zuckerrohr, die Destillationsmethode (Brennblase oder -säule) und den Umstand, dass sie ohne Reifung verkauft werden können.
Die Besonderheiten von Cachaça sind unter anderem:
- Als Basis dient Zuckerrohrsaft, wie beim Rhum Agricole, und nicht Melasse. Dieser Saft muss frisch verarbeitet werden, meistens direkt nach der Pressung, spätestens am nächsten Tag.
- Das Zuckerrohr muss aus Brasilien stammen.
- Auch das Holz der Fässer – falls der Cachaça gereift wird – muss brasilianisch sein, beispielsweise Amburana oder Zebraholz. Diese in der Spirituosenherstellung sonst kaum verwendeten Hölzer geben dem gereiften Cachaça einen ganz individuellen Geschmack.
- Der Alkoholgehalt muss zwischen 38 und 48 Prozent liegen.
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